Immer wenn ich durch von Winzendorf an Muthmannsdorf vorbeifahre, zieht die kleine Pfarrkirche St. Peter im Moos meinen Blick auf sich. Idyllisch liegt sie am Ortsrand von Muthmannsdorf, nach ihr nur noch die flachen Wiesen und Felder. Rechts erhebt sich die Hohe Wand, links die nicht gar so hohen Teile der Fischauer Vorberge: Schloss- und Größenberg. Vor allem bei einer Wanderung zum Marmorsteinbruch Engelsberg genieße ich (wie bestimmt auch alle übrigen Wanderer) die Aussicht in aller Langsamkeit.
Nicht verwunderlich, dass mich schon bald meine kunsthistorische Neugierde packt und ich mir die Kirche genauer anschauen „muss“; und auch ein wenig darüber recherchiere – in Heimatbüchern, aber auch in der großen Bibliothek des kunsthistorischen Instituts. 2014 saß ich noch direkt an der Quelle, die ich regelmäßig für fundierte Informationen angezapft habe. Ein Blick mit wissenschaftlicher Distanz schadet bei dieser kleinen Pfarrkirche nicht, denn um den Bau ranken sich etliche Geschichten und Legenden.
Vom Kraftort zum Kultort – die Geschichte von St. Peter im Moos
Zuerst war die Kirche wohl ein keltisches, später ein römisches Quellheiligtum. Um 1100 wurde in der Gegend eine Pfarre gegründet, die Kirche selbst ist erst ab 1220 belegt. Spätestens dann war aus dem Quellheiligtum ein christlicher Ort geworden. Bereits 1254 wurde die Kirche von König Ottokar II. (Premysl) an den Bischof von Seckau übergeben, 1662 kam sie gemeinsam mit dem nahe gelegenen Gut Strelzhof an das Neukloster in Wiener Neustadt. Erst im Jahr 1783 wurde St. Peter im Moos zur selbstständigen Pfarrkirche, heute wird die Pfarre vom Stift Heiligenkreuz betreut. So viel zum Organisatorischen.
Vor Ort lasse ich nach Eintreten den Blick in Richtung Chor schweifen; über die hölzernen Kirchenbänke, den rötlichen Steinboden, der von einem breiten Teppich verdeckt wird, bis hin zur barocken Kanzel, den Altären und dem gotischen Chorbereich. Schnell wird klar: Hier wurde im Laufe der Zeit einiges verändert; dennoch gibt es hier für Architekturliebhaber so einige verborgene Schätze zu entdecken.
Der ursprüngliche romanische/frühgotische Bau
Das ursprüngliche Aussehen der Kirche (ab 1220 belegt) lässt sich dank Grabungen aus den 1980er Jahren gut rekonstruieren. Ursprünglich stand hier eine einschiffige Saalkirche mit Chorquadrat und anschließender halbrunden Apsis. Der heutige Eingangsbereich im Westen gehörte nicht zum Bau, wohl 2/3 des Langhauses stehen auf romanischen Fundamenten. Anders das Chorquadrat, das aus der romanischen Zeit erhalten ist und sich klar vom restlichen Bau abhebt. Gleich beim Betreten des Baus wird der Blick zu diesem – in einer Kirche wichtigen Teil – geleitet und mithilfe einer geschickten Beleuchtung gut inszeniert.
Ins Mittelalter eintauchen
Langsam gehe ich durch das Langhaus auf das Chorquadrat zu. Dort betrachte ich die bemerkenswerten Wandmalereien aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, die erst 1939 im Zuge der Renovierung freigelegt wurden. Sie zeigen im Zentrum das Lamm Gottes und darum in Dreiergruppen angeordnet, die zwölf Apostel. An allen vier Seiten schließen die vier Evangelistensymbole (Löwe, Mensch, Adler, Stier).
Ein Stück weiter entdecke ich ein weiteres Highlight: An der Nordwand des Chorquadrats befindet sich eine frühgotische, polychrome Sakramentsnische. Ein überaus wichtiger Ort, denn hierin bewahrten die Pfarrer im Mittelalter das Allerheiligste, die Hostie auf. Diese Sakramentsnischen waren ein wichtiges Ausstattungsstück aller Mittelalterkirchen, wurden in der Barockzeit aber durch prächtige vergoldete Tabernakel ersetzt. Daher haben sich diese teils sehr kunstvoll gestalteten Ausstattungsstücke nur in sehr seltenen Fällen erhalten (ein besonders großartiges Beispiel ist übrigens das Sakramentshaus des Adam Krafft in der Lorenzkirche in Nürnberg).
Durch einen spitzbogigen Durchgang gelange ich in die sogenannten „Karnerkapelle“, die in frühgotischer Zeit (wohl im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts) nördlich am Chorquadrat angeschlossen wurde. Auch heute können Besucher den „originalen“ kreuzrippengewölben Raum entdecken. Die Grabungen zeigen, dass der Raum ursprünglich kürzer war und mit einem 3/8 Schluss gegen Osten abschloss. 1437 wurde der Raum um die Taufkapelle verlängert. Diese beiden Anbauten sind reich mit Malereien (um 1300) und mit Schlusssteinen am Gewölbe mit Reliefs verziert.
Weitere Umbauten im 15. – 19. Jhdt.
Weitere Umbauten brachte noch mehr gotischen Flair in die Kirche. Der schon erwähnte Zubau der Taufkapelle samt Gruft im 15. Jahrhundert einerseits. Andererseits ein einjochiger Chor mit 5/8 Schluss; mit vier spitzbogigen Maßwerkfenstern, zwei davon mit originalen Fischblasen. Ein Kreuzrippengewölbe mit Schlusssteinen und achtstrahligen Rippenstern in jedem Joch. Auch hier entdecke ich wieder eine gotische Sakramentsnische. Zusätzlich kam vermutlich um 1419 auch der Turm, über dessen Bekrönung nur spekuliert werden kann.
All diese gotischen Details entdecke ich ab dem Chor und bei meiner Runde um die Kirche von außen. Ich bin begeistert über diese überraschenden Details, die originalen gotischen Fenster und diese erhaltene reiche Ausstattung. Nach all den Barockisierungen der Pfarrkirchen in unserer Region ist so ein Bild doch relativ selten zu finden.
Barocke und neuere Veränderungen
Auch bei St. Peter im Moos machte die Barockisierung nicht ganz Halt. Schon von weitem sehen Besucher den barocken Zwiebelhelm, der auf einem gotischen, hölzernen Glockenturm sitzt. Auch beim Blick in die Kirche tritt zuerst die barocke Einrichtung hervor: das Langhaus mit Flachdecke, die goldenen Seitenaltäre und die Barockkanzel.
1937-39 wurde die Kirche renoviert, 1988 nochmals. Dabei wurden auch die erwähnten Grabungen durchgeführt und die Fundamente trockengelegt. Denn die Kirche (und angeblich auch die Gruft) stand mehrmals unter Wasser, der Boden im Chor musste öfters wegen steigenden Grundwasser erhöht werden. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt auch der Marmorboden vom Steinbruch „um die Ecke“, dem heute stillgelegten Marmorsteinbruch Engelsberg.
Insgesamt spielt Barock und das 20. Jahrhundert bei dieser Kirche jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Der Stil „begrüßt“ Besucher beim Eintritt des Langhauses und „verabschiedet“ beim letzten Blick zurück auf den Turm.
Mein Fazit zur Pfarrkirche St. Peter im Moos
All jene, die sich hier aber genauer umschauen und auf „Entdeckungsreise“ gehen, werden hier großartige mittelalterliche Architektur- und Ausstattungsdetails entdecken, wie die Wandmalereien, die Sakramentsnischen und Spitzbogenfenster. Sagen braucht es jedenfalls keine, um die Kirche zu besuchen. Egal ob sich da nun ein Überbleibsel einer keltischen Überlaufquelle im Westen befindet oder der heutige Taufstein ein heidnischer Opferstein war (um nur einige dieser Geschichten zu nennen). Ein Blick hinein lohnt sich.
Weitere Tipps von freets
Parkplatz ist vor der Kirche vorhanden.
Da es sich um einen Sakralbau handelt, der in Betrieb ist, beachte bitte die Öffnungszeiten bzw. die Möglichkeit von kirchlichen Feiern.
Autorin Claudia Schlager
Reise-, Ausflugs- und Fotoenthusiast, Storyteller, 2fache Mädchenmama, Kunsthistorikerin, Genussmensch und Naturliebhaberin aus dem südlichen Niederösterreich. Mit freets verbinde ich seit 2015 einen Großteil meiner Leidenschaften und gebe regelmäßig Einblick in meine kleinen und großen Entdeckungen.
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